Österreich im Frühjahr 2017: Was ein ORF-Journalist am Vorabend über ihn berichtet hat, habe das Fass zum Überlaufen gebracht, sagte ein sichtlich betroffener österreichischer Vizekanzler, als er seinen Rücktritt von allen Ämtern bekannt gab, der nun wiederum Neuwahlen ausgelöst hat. Nur Tage zuvor hatte ein Landespolitiker demselben ORF-Journalisten vor laufender Kamera wegen nicht passender Fragen gedroht. Der Journalist ist übrigens ZiB2-Anchorman Armin Wolf, einer der besten Journalisten des Landes, in Deutschland mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ausgezeichnet.

Das Verhältnis von Politik und Medien war nie ein wirklich gutes. Nicht nur in Österreich. Und obwohl Politiker bei jeder Gelegenheit die Unabhängigkeit von Journalisten preisen, versuchen viele von ihnen zugleich Einfluss auf Medien zu nehmen. Von manchen Spitzen abgesehen, war dieses Machtgezerre im Alltag aber weitgehend erträglich. Mit den Sozialen Medien und dem professionellen Missbrauch von Twitter & Co. hat sich das radikal geändert. Und inzwischen leiden auch die Medien. Wenngleich noch nicht endgültig klar ist, ob sie von den Angriffen zuletzt vielleicht sogar davon profitieren.

Beim European Newspaper Congress in Wien beschäftigen sich gleich drei Beiträge mit diesem weitreichenden Thema. Den ersten Beitrag leistet Österreich Bundeskanzler Christian Kern, der damit den dreitägigen Kongress am Montag eröffnen wird. „Im selben Boot? – Politik und Medien im Zeitalter von Fake News und Populismus“, fragt der Kanzler, der seit wenigen Tagen selbst im Wahlkampf steht und damit bis zur Wahl im Oktober zugleich Handelnder und Betroffener ist. „Zeit“-Herausgeber Giovanni di Lorenzo titelt seine Keynote mit „Medien unter politischem Druck: Was es heute bedeutet, Haltung zu zeigen“. Sein Beitrag wird also mehr die journalistische Perspektive einnehmen und die Rolle der Medien für die Gesellschaft ausleuchten. Beiden Positionen versucht das European Editors Forum Platz zu geben. „Fake News, Trump, Facebook und wir Journalisten“ ist das Titel einer Podiumsdiskussion unter der Leitung von Paul Josef Raue, an der unter anderem Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung in Deutschland, teilnehmen wird.

Der European Newspaper Congress beginnt am 21. Mai 2017. Rund 500 Chefredakteure und Medienmanager diskutieren drei Tage in Wien über die Zukunft ihrer Branche. Darunter Julia Jäkel, CEO Gruner + Jahr, Jürgen Kaube, Herausgeber „FAZ“, Thomas Lindner, Geschäftsführer FAZ, Tyler Brûlé, Verleger „Monocle“, Gerrit Klein, Ebner Verlag, Julian Reichelt, Chefredakteur „Bild“, Sara Maria Manzo, Leiterin Digital „NZZ“.

Das Thema Bewegtbild ist ein weiterer Themenschwerpunkt bei diesem größten europäischen Zeitungskongress. Was konstruktiver Journalismus wirklich bringt, wird Oliver Reinhard von der „Sächsischen Zeitung“ dokumentieren, der dazu erstmals die Ergebnisse von sechs Monaten Praxistest vorstellen wird. Pia Frey von Opinary erklärt, was passiert, wenn Verleger wirklich auf ihre Leser hören. Lina Timm, Gründerin und Programmleiterin von Media Lab Bayern, stellt das Entwicklungszentrum für neue Ideen im digitalen Journalismus vor. Zusätzlich werden innovative Medienmacher aus ganz Europa ihre neuesten Projekte präsentieren.

Der European Newspaper Congress wird vom Medienfachverlag Johann Oberauer, der Stadt Wien und Norbert Küpper, Zeitungsdesigner in Deutschland, veranstaltet. Kooperationspartner wie JTI, OMV und der Verband der Österreichischen Zeitungsverleger unterstützen maßgeblich die Veranstaltung.

Das komplette Programm und Anmeldung: www.newspaper-congress.eu

Kontakt: Johann Oberauer, johann.oberauer@oberauer.com, Tel. +43 664 2216643