Berlin/Zürich/Frankfurt – Kaum ein Text von Claas Relotius wurde so gelobt wie sein Interview für den „Spiegel“ mit Traute Lafrenz, der letzten Überlebenden der „Weißen Rose“. Doch auch hier musste das Magazin nach eigenen Recherchen eingestehen: Auch in diesem Text sind Passagen offenbar erfunden. Das „Jahrbuch für Journalisten 2019“ zeigt die gefälschten Passagen und Lafrenz‘ Anmerkungen dazu. Klar wird auch, dass es bei dem spannenden Interview der Fälschungen überhaupt nicht bedurft hätte.

Zahlreiche Beiträge beschäftigen sich in diesem Jahrbuch speziell mit dem Berufsbild von Journalistinnen und Journalisten zwischen Haltung und Äquidistanz. BDVZ-Präsident Mathias Döpfner mahnt beispielsweise bei Vorfällen wie in Chemnitz zu mehr Distanz zur Politik. Chefredakteurinnen und Chefredakteure von regionalen Tageszeitungen antworten Döpfner im Jahrbuch.

Das Jahrbuch für Journalisten hat Beiträge gesammelt, die in den vergangenen Monaten zu dem Themen Journalismus, Gesellschaft, Politik und Medien erschienen sind, und die weit über den Tag hinaus Gültigkeit haben. In den zahlreichen Beiträgen geht es nicht nur um das Selbstbildnis der Medien, sondern auch um Strategie, vor allem aber um Journalismus. Autoren sind renommierte Journalisten, Chefredakteure und Verleger.

Fünf exemplarische Beiträge aus dem neuen Journalisten-Jahrbuch:

1. Einen Brief an deutsche Journalisten schreibt Jay Rosen.
Der US-Medienwissenschaftler hat in Deutschland geforscht: Wie tickt die Presse in Deutschland? Anders als in seiner Heimat? Was tun gegen „Fake News“? Rosen zeichnet ein spannendes Bild von außen. Und zeigt die fünf Säulen des Selbstverständnisses deutscher Journalistinnen und Journalisten.

2. Wie die politische Korrektheit die Arbeit als Reisejournalistin einschränkt, beschreibt Tina Uebel.
Die Hamburgerin sagt, PC nage zunehmend an den Fundamenten ihrer Arbeit. Nicht zuletzt an ihren Idealen: „Aufklärung. Gleichberechtigung. Empathie und eine Mitmenschlichkeit, die blind ist für Kategorien wie Ethnie, Gender, Herkunft. War PC nicht einst, vor ihrer Hysterisierung, für ebendiese Ideale angetreten? Mittlerweile aber sind die Kollateralschäden mannigfaltig, uns Schreibende treffen sie hart, denn Sprache ist das Medium unseres Denkens und unserer Kommunikation. Ich habe von schmerzlichen Verlusten zu berichten.“

3. „Wir sind auf dem Weg zur Empörungsdemokratie“, fürchtet Bernhard Pörksen.
Der Medienwissenschaftler spricht über das Debakel unserer digitalen Gesellschaft. Einerseits freut man sich über die blitzschnelle Verfügbarkeit von Informationen und Ideen aus dem Internet, andererseits verteufelt man dessen Dauerkonfrontation. Und er analysiert die „fünfte Gewalt der vernetzten Vielen“.

4. „Lästige Schmierfinken, schmuddelige Alkoholiker, eitle Fatzken“.
Das Fernsehen verbreitet eifrig das Bild vom charakterlosen Journalisten. Ohne Not denunzieren „Tatort“ und Co. einen Berufsstand, der für die Demokratie essenziell ist, analysiert Karl-Markus Gauß.

5. Harald Martenstein ist ein Star-Kolumnist.
Aber irgendwann entdeckte er die Politik. Inzwischen wollen ihn viele sehr gerne loswerden. „Warum eigentlich?“, fragt „SZ“-Journalist Hilmar Klute. Und der zeigt wie Martenstein vom Götterliebling zum „alten weißen Mann“ wurde.

Das Jahrbuch richtet sich an Journalisten, Chefredakteure, Medienmanager und Politiker.

„Jahrbuch für Journalisten 2019“, Verlag Oberauer, Salzburg, 2019, 176 Seiten, Euro 19,50, ISBN 978-3-901227-57-8, zu beziehen direkt über den Verlag und im Internet.